Themenbereich Universität

Im Herbst des Jahres 1502 fand in Wittenberg die feierliche Eröffnung der Leucorea statt. Der Einladung Kurfürst Friedrichs III. von Sachsen und seines Bruders Johann, an der neuen Universität in den freien künsten, der heiligen schrift, geistlichen und weltlichen rechten, erzenei, poeterei und andern künsten zu studieren, wurde bereits im ersten Semester Folge geleistet. In großer Zahl kamen Studenten und Gelehrte aus ganz Europa nach Wittenberg. Die Reformation steigerte noch die Anziehungskraft der Hohen Schule, ab der Mitte des 16. Jahrhunderts entwickelte sich die Leucorea zur frequenzstärksten protestantischen Universität im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation. Ihr kam als Ausgangsort und Zentrum der reformatorischen Bewegung eine erhöhte Aufmerksamkeit zu. In besonderer Weise und wiederholt erfuhr sie die Folgen der wechselvollen Ereignisse des 16. Jahrhunderts. So war die Leucorea direkt personell und institutionell betroffen von den politischen und religionspolitischen Veränderungen des Reformationsjahrhunderts, wie von der kursächsischen Krise des Philippismus in den 1570er Jahren und der lutherischen Restauration in den 1590er Jahren.

Im Themenbereich „Universität“ stehen die Auswirkungen der Universitätsgründung sowie der für die Stadt und die Universität Wittenberg zentralen Zäsuren des 16. Jahrhunderts auf personeller, institutioneller und baulicher Ebene im Zentrum der Untersuchungen. Die Wohn- und Wirkungsorte der Professoren und Studenten werden im Stadtbild identifiziert, ausgewählte Wohnhäuser von Professoren und Universitätsverwandten hinsichtlich erhaltener Zeugnisse der Alltagskultur und des kulturellen Transfers untersucht. In großem Umfang haben sich zur Thematik verschiedenste Quellen erhalten, die vielfach erstmals grundlegend wissenschaftlich ausgewertet und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

Einen Schwerpunkt der Betrachtungen bilden die Universitätsgebäude. Von besonderer Bedeutung sind hier die drei Kollegien, und zwar das collegium Fridericianum als ältestes Kolleg mit zwei Kolleghäusern (altes und neues Kolleg), das collegium Iuridicum (Juristenkolleg) und das collegium Augusteum. Zudem werden die universitätseigenen Bursen sowie die Studentenhospitäler untersucht. Die überlieferten Archivalien werden mit Blick auf die Nutzung der Gebäude, ihr bauliches Erscheinungsbild, ihre Lage sowie auf die in ihnen befindlichen Räumlichkeiten ausgewertet. Ein wichtiger Punkt sind die Veränderungen, die sich auf der Ebene der Nutzung und Verwaltung der Kollegien infolge der Reformation ergaben. Ergebnisse hierzu sind (vorrangig) in den Wittenberg-Forschungen Band 4 zu finden.

Ein weiterer Untersuchungsgegenstand ist der studentische Alltag. Hierbei spielen insbesondere Aspekte der Unterbringung und Versorgung der Studenten in Wittenberg eine Rolle. Zudem ist das landesherrliche Stipendienwesen ein wichtiger Gegenstand der archivalischen Forschungen. Es erfolgt hierbei eine Konzentration auf die frühen Förderungen unter den Ernestinern in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, insbesondere soll deren Wandel im Verlauf der Reformation nachgegangen werden. Mit dem Einsetzen der evangelischen Bewegung änderten sich die finanziellen Grundlagen für eine landesherrliche Stipendiatenförderung. Nach und nach wurden geistliche Pfründen frei, die für den gemeinen Nutzen, also auch für Stipendien, umgewidmet wurden. Diese Entwicklung fand ihren vorläufigen Abschluss in der Stipendiatenordnung des sächsischen Kurfürsten Johann Friedrich aus dem Jahr 1545. Neben der Untersuchung der normativen Bestimmungen dieser Ordnung und ihrer Erstellung und Umsetzung wird ein besonderes Augenmerk auf die personelle Ebene, also auf den Empfängerkreis der Stipendien, gelegt. Es werden Fragen gestellt nach der geografischen und sozialen Herkunft der geförderten Studenten, nach ihrem Studienverlauf (Immatrikulation, erlangte Grade) und nach ihrer Karriere. Auch hier sind Ergebnisse (vorrangig) in den Wittenberg-Forschungen Band 4 zu finden. 

Einen weiteren Schwerpunkt im Themenbereich „Universität“ bildet die Theologische Fakultät der Leucorea. Ihrer im Jahr 1502 gegründeten Universität verdankt die Stadt Wittenberg ihren Aufstieg im 16. Jahrhundert und den bis heute weltweiten Ruhm als Zentrum der Reformation. Stadt und Universität waren der Wirkungsort und der Lebensmittelpunkt der Reformatoren um Martin Luther und Philipp Melanchthon. Der zentralen und nachhaltigen Bedeutung, die vor allem die Theologische Fakultät der Leucorea und ihre Angehörigen beanspruchen können, stehen zahlreiche Forschungsdesiderate gegenüber. Mit dem Ziel, zentrale Lücken zu schließen, sollen die institutionellen und personellen Rahmenbedingungen und Strukturen der Fakultät rekonstruiert werden. Im Zentrum der Untersuchungen stehen die Professoren der Theologie mit ihren Werdegängen. Ein Forschungsschwerpunkt liegt dabei auf der Untersuchung der vielfältigen Vernetzungen der Theologen innerhalb der universitären Gesamtkorporation und im städtischen Raum.

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