Kulturelle Wirkungen der Reformation: Sektion IV: Abstracts

 

Ulrike Ludwig (Leipzig, Germany)

Das landesherrliche Stipendienwesen an der Universität Wittenberg im Reformationsjahrhundert. Seine Wirkung anhand von Karrierewegen

Im Vortrag werden quellenbasierte Ergebnisse zum landesherrlichen Stipendienwesen an der Universität Wittenberg vorgestellt. Der Untersuchungszeitraum reicht von der Gründung der Wittenberger Hohen Schule, der Leucorea, im Jahr 1502 bis zum Übergang der Kurwürde von der ernestinischen an die albertinische Linie der Wettiner im Jahr 1547. Dadurch können spannende Wandlungsprozesse im Umbruch der Reformation sichtbar gemacht werden. Die landesherrlichen Studienförderungen aus kirchlichen Pfründen seit den 1520er Jahren hatten das Ziel, loyale evangelische Pfarrer, Schuldiener oder Landesbedienstete heranzuziehen und trugen damit erheblich zur Etablierung reformatorischer Gedanken bei. Der Schwerpunkt des Vortrages soll auf den geförderten Personen selbst liegen. Anhand von spezifischen prosopografischen Fragestellungen, wie zur regionalen und sozialen Herkunft der Stipendiaten, zu ihrem Studienweg, zu Abschlüssen und zu ihrem weiteren Karriereweg werden sowohl gruppenbiografische Aspekte als auch ausgewählte Biogramme vorgestellt.

 

Tilman Pfuch (Leipzig, Germany)

Luther und die Ernestiner in den Gutachten der Theologischen Fakultät Wittenberg zwischen 1560 und 1660

Auf vielfältige Weise und unterschiedlichen Hierarchieebenen fungierten die evangelischen Theologischen Fakultäten der Frühen Neuzeit als Gesprächsforum und Beratungsinstanz. In Wittenberg trug hierzu nicht zuletzt die Veränderung der Statuten der Universität 1536 bei, in denen festgeschrieben wurde, dass die Theologische Fakultät den Kurfürsten und seine Nachfolger in Ehe- und anderen geistlichen Sachen zu beraten habe. Damit speiste sich in der Folgezeit die Autorität der Wittenberger Fakultät zum einen aus der Okkupation der bischöflichen Rechte durch den Landesherrn und der Anknüpfung an die mittelalterliche Aufgabe der Lehrüberprüfung durch die Universitäten, zum anderen geschah eine Transformation von der Reformationspersönlichkeit zur sich als sachgerechten Erbverwalter inszenierenden Institution. In dem Vortrag wird nach der Rezeptionsgeschichte der Gutachten in dem angegebenen Zeitraum in Wittenberg gefragt.

 

Isabelle Nispel (Berlin, Germany)

Das Wittenberger Collegium Augusteum in der Universitätslandschaft des Heiligen Römischen Reiches im 16. Jahrhundert

Das Collegium Augusteum wurde 1581–82 für die Leucorea errichtet. Damit war es in Wittenberg das dritte Kollegium – ein Gebäude für die Ausübung der Lehre als auch für die Unterbringung von Lehrenden und Studierenden. Das Augusteum ist bis heute in seiner Grundstruktur und im Großteil seiner Bausubstanz aus dem 16. Jahrhundert überliefert. Es zeigt jedoch auch, wie Universitätsgebäude fortan den sich wandelnden Anforderungen der Universitäten angepasst wurden. Nach aktuellem Forschungsstand ist das Augusteum, neben dem Collegium Georgianum in Ingolstadt (1494–96), eines von vier noch erhaltenen Kollegien, die in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts für deutsche Universitäten neu errichtet wurden. Dazu zählen das Collegium Illustre in Tübingen (1588) sowie die Kollegien in Helmstedt (1575-76, 1592-97) und Altdorf (1571-75, 1580). Alle anderen Kollegienneubauten des 15. und 16. Jahrhunderts fielen späteren Umbau- und Abrissmaßnahmen zum Opfer.

 

Patrick Schiele (Frankfurt/Main, Germany)

Die Wittenberger Universitätsmatrikel. Besonderheiten und Auswertungsperspektiven

Immatrikulationsverzeichnisse von Hochschulen zählen zweifellos zu den wichtigsten seriellen Quellen frühneuzeitlicher Universitätsgeschichtsforschung. Am Beispiel der Wittenberger Universitätsmatrikel werden die Besonderheiten dieser Quellengattung und die Herausforderungen ihrer Erschließung aufgezeigt. Vorgestellt wird zudem das von der Stiftung LEUCOREA unterstützte Datenbankprojekt »Corpus Inscriptorum Vitebergense (CIV)«, das die Erfassung der personenbezogenen Daten aus der Wittenberger Universitätsmatrikel und deren Verknüpfung mit den Ergebnissen der Auswertung weiterer personenbezogener serieller Quellenarten zum Ziel hat. Anhand erster Ergebnisse werden die vielfältigen Auswertungsmöglichkeiten und -perspektiven der Matrikel auf der Grundlage der relationalen Personendatenbank CIV und darüber hinaus dargestellt.

 

Elgin von Gaisberg (Berlin, Germany)

Räume und Erschließungen in der Stadtkirche

Erschließungen innerhalb eines Gebäudes sind untrennbar mit der Frage nach Räumen und ihren Nutzungen verbunden. In der Wittenberger Stadtpfarrkirche verändern sich parallel zur Bauentwicklung vom 13. bis ins 17. Jahrhundert auch Nutzbereiche und Erschließungen. Räume, Einbauten wie Emporen und Treppenaufgänge kamen hinzu oder wurden verändert – in einigen Fällen auch aufgegeben. Davon zeugen nachträgliche Wanddurchbrüche und verborgene oder zugesetzte Türöffnungen, die keinen Bezug mehr zu vorhandenen Laufebenen haben. Im Rahmen der Bauforschung konnten diese in den letzten Jahren aufgedeckt und unter Berücksichtigung von Schrift-und Bildquellen mit vormaligen Bauzuständen und Nutzungen verknüpft werden. Neben der Frage nach den Zugängen in die Kirche und der Erschließung früherer Einbauten ist zu zeigen, wie die ›Stadt-Kirchentürme‹ mit dem Kirchenraum in Verbindung standen und welche Räume und Nutzungen sich dort rekonstruieren lassen.

 

Insa Christiane Hennen (Halle/Saale-Wittenberg, Germany)

Außenräume – Innenräume: Wie verändert sich Wittenberg zwischen 1486 und 1586?

Der 1486 begonnene Neubau des Residenzschlosses und die Gründung der Leucorea (1502) veränderten die Stadtgesellschaft und das Stadtbild Wittenbergs. Aus der hier ihren Anfang nehmenden lutherischen Reformation erwuchsen zusätzliche Impulse. Dieser Wandel steht im Fokus des Forschungsprojektes „Ernestinisches Wittenberg“. Der Beitrag zeichnet die großen Entwicklungslinien bis in die 1580er Jahre nach, wobei zwischen den geplanten, dem „humanistischen Zeitgeist“ folgenden und den durch die Reformation in Gang gesetzten Entwicklungen unterschieden wird. Vorgestellt werden die Folgen dieses Wandels, die im Stadtraum mit seinen Straßen, Plätzen und Innenhöfen sichtbar werden, wie auch in Wohnräumen und im Innern der Pfarrkirche als dem zentralen der Ort der Glaubenspraxis und der Repräsentation des Bürgertums.

 

Jan-Christian Cordes (Hamburg, Germany)

»Des lutterschen Handels halven«. Die Reformation in den norddeutschen Hansestädten Lüneburg, Hamburg und Lübeck als obrigkeitliche Herausforderung

Im Jahr 1525 sollten in Lübeck auf zwei regionalen Hansetagen der wendischen Städte gegen die »Martianischen Secten« gerichtete Beschlüsse gefasst werden, was jedoch nicht mehr einstimmig geschah: In einigen der teilnehmenden Städte war die reformatorische Bewegung bereits so stark angewachsen, dass die städtischen Obrigkeiten nicht mehr einfach gegen sie vorgehen konnten. Dass schließlich aus altgläubigen Stadträten, die der Reformation ablehnend gegenüberstanden, evangelische Obrigkeiten wurden, war das Ergebnis eines langjährigen Wandels. Der Prozess der Einführung der Reformation in Norddeutschland und die Handlungsmöglichkeiten der städtischen Räte sollen in diesem Beitrag anhand der Beispiele der Hansestädte Lüneburg, Hamburg und Lübeck dargestellt und ein Vergleich zu den Wittenberger Verhältnissen gezogen werden.

 

Uwe Schirmer (Jena, Germany)

Die kursächsischen Städte in der Frühzeit der Reformation (1520-1525)

Das ernestinische Kursachsen ist das Mutterland der Reformation. Infolge der zurückhaltenden Politik des Kurfürsten breitete sich reformatorisches Gedankengut seit 1520 flächendeckend aus. Aus einer herrschaftsgeschichtlichen Perspektive betrachtet, waren der Niederadel und die Stadträte die Träger dieses Prozesses, denn sie ermöglichten es als Gerichts- und Patronatsherren, dass in »ihren« Kirchen evangelisch gepredigt werden konnte. Um 1520 gehörten rund 75 landesherrlichen Städte zum Kurfürstentum. Die Stadträte waren landtagsfähig und übten die Obergerichtsbarkeit aus. Als wirkmächtige Städte wären Altenburg, Coburg, Gotha, Grimma, Eisenach, Jena, Orlamünde, Plauen, Saalfeld, Torgau, Weimar, Wittenberg oder Zwickau zu nennen. Erfurt, Mühlhausen und Nordhausen unterstanden nicht Kursachsen; indes gab es zwischen ihnen und den kursächsischen Städten Interdependenzen. Im Vortrag wird die Ausbreitung der evangelischen Lehre in der ›ernestinisch-kursächsischen Städtelandschaft‹ synoptisch in den Blick genommen. Im Zentrum der Analyse stehen Institutionen, soziale und politische Träger der Bewegung, religiös-soziale Multiplikatoren sowie infrastrukturelle Spezifika.

 

Thomas Lang (Halle/Saale-Wittenberg, Germany)

Zwischen Haupthoflager, Jagdschloss und geistlichem Zentrum. Die ernestinische ›Residenzenlandschaft‹ und ihre Rolle in der frühen Reformationszeit

Als ein wesentlicher Schritt auf dem Weg von der vormodernen Landesherrschaft hin zur modernen Staatlichkeit gilt die Ausbildung von zentralen Verwaltungs-, Herrschafts- und Repräsentationszentren den sogenannten Residenzen.

Das Beispiel des Kurfürsten Friedrich III. zu Sachsen (1463–1525) soll zeigen, dass der Weg von der Reiseherrschaft zur Zentralresidenz in einem Land, dessen Herrschaftsmittelpunkte mit dem dynastischen Zufall, politischen Umständen und persönlichen Vorlieben verknüpft waren, keineswegs stringent verlief. Der Kurfürst Friedrich besuchte als emsiger Reichspolitiker zahlreiche Reichstage und Fürstentreffen, bereiste als Pilger sowie im Königsdienst mehrmals das Ausland, wo er kulturelle Anregungen aufnahm. Selbst im eigenen Territorium, das von Coburg über Weimar und Wittenberg bis nach Beeskow reichte, blieb er rege. Neben den wechselnden Haupthoflagern bezog er häufig mit Teilen seines Hofes in kleineren Schlössern Nebenhoflager, versah einzelne Residenzorte mit unterschiedlichen Funktionen. Die relativ eigenständige Wirtschafts- und Rechtsverwaltung und ein beachtliches Botenwesen ermöglichten dem Fürsten eine große Mobilität und eine prunkvolle Repräsentation. Den raschen Entwicklungen in der frühen Reformationszeit, war dieses Residenz- und Herrschaftssystem jedoch nicht immer gewachsen.

 

Anke Neugebauer (Halle-Wittenberg, Germany)

Ahnenforschung und Ahnenarchäologie unter den ernestinischen Wettinern

Ahnenforschung und Ahnenarchäologie bilden ein um 1500 im Hochadel des Reiches verstärkt auftretendes Phänomen. Die Ursachen liegen im gestiegenen Interesse an der Vergangenheit des eigenen Herrscherhauses und der damit verbundenen dynastischen Legitimation. Auch die ernestinischen Wettiner beauftragten Chroniken, Stammbücher und Ahnengalerien, betrieben Ahnenarchäologie und würdigten ihre Vorfahren mit Epitaphien oder Grabmälern. Beispielhaft dafür steht der Sandsteinsarkophag für die Gebeine der ottonischen Königin Editha (gest. 946) im Dom zu Magdeburg, den Erzbischof Ernst von Sachsen 1510 in Auftrag gab; die Memorialanlagen für Kaiser Otto III. (gest. 1002), die Kurfürst Friedrich der Weise 1513 im Dom zu Augsburg und im Aachener Münster stiftete sowie die 1537 erfolgte Umbettung askanischer Fürsten aus dem Wittenberger Franziskanerkloster in die Schlosskirche durch Kurfürst Johann Friedrich den Großmütigen.

 

Mario Titze (Halle/Saale, Germany)

Die Restaurierung der Schlosskirche und des Schlosses

Die militärische Nutzung des Schlosses ab 1819 und die Neugestaltung der Schlosskirche 1885/92 hatten die ehemalige wettinische Residenz grundlegend verändert. Der Umbau und die Sanierung des Ensembles im Ergebnis eines 2011 durchgeführten Architektenwettbewerbs führten zu weiteren Veränderungen, die mit einer Vielzahl von Eingriffen in die erhaltene Bausubstanz verbunden waren. Sie ermöglichten bauhistorische Untersuchungen mit bemerkenswerten Erkenntnissen, verursachten aber auch schmerzliche Verluste. Mit der Schließung des Hofes sowie der minutiösen Restaurierung der Schlosskirche und der Eckwendelsteine wurden dabei Hauptwerke des deutschen Historismus und der europäischen Schlossbaukunst um 1500 wiedergewonnen.

Kulturelle Wirkungen der Reformation

7. bis 11. August 2017      KulturelleWirkungenderReformation

Kontakt: kongress@leucorea.uni-halle.de

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