Kulturelle Wirkungen der Reformation: Sektion I.4: Abstracts

 

Astrid Wohlberedt (Halle/Saale-Wittenberg, Germany)

»Wer unter euch ohne Sünde ist«. ›Christus und die Ehebrecherin‹ in den Bildern der Cranach-Werkstatt

Der Vortrag präsentiert ein Teilkapitel des aktuellen Dissertationsvorhabens »Gesetz, Recht und Gerechtigkeit in den Bildern der Cranach-Werkstatt« der Referentin.

Anhand einer erstmalig in der Cranach-Forschung erstellten Typeneinteilung der zahlreichen Darstellungen des Themas ›Christus und die Ehebrecherin‹ aus der Cranach-Werkstatt wird den Fragen nachgegangen, wie sich die Reformation das Sujet zu Eigen gemacht hat und ob sich eine ›Reformationsikonographie‹ daraus ableiten lässt. Die anschließende Untersuchung zur Bedeutung der Ehe versucht zusammenfassend anhand zeitgenössischer Literatur, theologisch-reformatorischer Predigten und Schriften, sowie rechtshistorischer Forschungen (Ralf Frassek u. a.) die Botschaft und Relevanz des Bildthemas zu eruieren.

 

Ariadna Sotorra Figuerola (Barcelona, Spain)

Wittenberger Ikonoklasmus (1517-1522). Darstellungen und visuelle Wirkungen in der deutschen Kunst des 16. Jahrhunderts

Die Stadt Wittenberg spielte für die Entwicklung der Reformation ebenso eine Schlüsselrolle wie für die ersten protestantischen ›Bilderstürme‹.

Während Luthers ›Exil‹ auf der Wartburg (Eisenach) zwischen Mai 1521 und März 1522 ereigneten sich in Wittenberg die ersten revolutionären und ikonoklastischen Aktionen der Reformation. Die ›Angriffe‹ richteten sich dabei vor allem gegen die Stadtkirche, die Schlosskirche und das Kloster der Augustiner und zogen sich von Herbst 1521 bis Frühjahr 1522.

Kulturelle und visuelle Wirkungen dieser ikonoklastischen Vorgänge lassen sich auf Bildern späterer Jahre entdecken. Der Beitrag analysiert die direkte und indirekte Wirkung des Wittenberger ›Bildersturms‹ auf die Kunst anhand von Bildern der Folgejahre.

 

Lydia Wegener (Berlin, Germany)

»Eyn konygin von gnaden«. Die Neukonzeption Marias in altgläubigen ›Salve Regina‹-Flugschriften des 16. Jahrhunderts

Die im 11. Jahrhundert entstandene marianische Schlussantiphon ›Salve Regina‹ macht im Mittelalter eine Karriere ohnegleichen. Ihre kulturprägende Dominanz wird von Martin Luther bereits 1522 kritisch zur Sprache gebracht. Damit ist der Anstoß zu einer aggressiv geführten Flugschriftendebatte gegeben, die ungeachtet ihrer scharfen Rhetorik davon zeugt, wie sehr die Verteidiger der Antiphon sich genötigt sehen, auf die Argumente ihrer reformatorischen Widersacher einzugehen. Der Vortrag wird sich anhand mehrerer ›Salve Regina‹-Flugschriften des 16. Jahrhunderts der Frage widmen, in welcher Weise die altgläubigen Autoren die Funktion Marias umdefinieren, um den jeweiligen kulturellen Rahmenbedingungen Rechnung zu tragen und diese zugleich mitzugestalten.

 

Aisling Reid (Belfast, Great Britain)

›Kunstreformation‹ im Italien der Frühen Neuzeit

Dieser Beitrag untersucht die Wirkungen der Reformation auf künstlerische Praktiken im Italien der Frühen Neuzeit. Anhand von italienischen Kunsttraktaten, die in den Jahren nach der Beendigung des Trienter Konzils geschrieben wurden, soll die Art und Weise gezeigt werden, in der Künstler dazu aufgerufen wurden, die ›Fantasie‹ zu meiden zugunsten von ›realistischen‹ Darstellungen, die die Plausibilität körperlicher Interaktion mit Gott bestärken sollten. Kunsttheoretiker des 16. Jahrhunderts, wie Comanini, Dolce, Borghini, Paleotti und Mazzoni demonstrierten, wie über wirklichkeitsnahe Darstellungen auf das Göttliche Bezug genommen werden könnte. In ihren Schriften empfahlen sie Künstlern sich von fantastischen Erfindungen fernzuhalten, weil diese nicht nur irreführend, sondern sogar potentiell götzendienerisch seien. Stattdessen sollten sie sich an einen mehr realistischen Ansatz der Darstellung halten, durch den die Betrachter in die Lage versetzt würden, das Heilige, das als die materiale Umwelt durchdringend gedacht wurde, wahrzunehmen. Aus dieser Perspektive kann die Abwendung vom Manierismus etwa eines Pontormo hin zum Realismus eines Caravaggio oder Gentileschi verstanden werden als eine Antwort auf die reformatorische Kritik an materialer Frömmigkeit und zwar im Sinne einer Affirmation der Vorstellung einer körperlichen Interaktion mit Gott.

 

Susanne Wegmann (Köln, Germany)

Vom Jenseits ins Diesseits. Luthers Widerruf vom Fegefeuer und seine kulturellen Wirkungen

Was erwartet den Menschen nach seinem Tod? Spätmittelalterliche Bilder gaben den Gläubigen umfassende Einblicke in das Jenseits. Sie stellten den Einzug der Erlösten in das Reich Gottes vor Augen, zeigten die Gottesschau der Heiligen, die im Himmel thronende Dreifaltigkeit oder die Krönung Mariae. Diesen hoffnungsvollen Bildern standen Schreckensbilder gegenüber: Bestrafung und Leiden der Sünder in der Hölle oder im Fegefeuer. Diese konkreten Jenseitsvorstellungen stellte Luther in Frage, der menschliche Verstand war für ihn nicht befähigt, das göttliche Geheimnis zu begreifen. Der Vortrag wird der Frage nachgehen, wie sich Luthers Einsicht auf die Jenseitsimaginationen auswirkte.

 

Yekaterina Yakovenko (Moscow, Russia)

Bibelübersetzungen als Erbe der Reformation. ein Übersetzungs-, kontrastiver und kognitiver Ansatz

Die weite Verbreitung von Bibelübersetzungen in vielen Sprachen ist als die wichtigste Errungenschaft der Reformation zu betrachten. Im vorliegenden Vortrag wird ein Übersetzungsansatz mit einem kontrastiven und einem kognitiven Ansatz zur Analyse des Bibeltextes vereinigt. Beispielhaft werden zwei bedeutende Bibelübersetzungen der Reformation – Lutherbibel (1534) und der King-James-Bibel (1611) –, die eine große Wirkung auf die Sprache und Kultur ihrer Länder ausübten, einer Analyse unterzogen. Die Anwendung des Übersetzungs- und des kontrastiven Ansatzes lässt es zu, einen Charakter der Äquivalenz, wie er zwischen Einheiten der Bibelübersetzung und der Primärquelle entsteht, festzustellen. Der kognitive Ansatz besteht in der Suche nach Schlüsselkonzepten der Bibel und im Vergleich der in Primärquellen und Übersetzungen dargestellten Weltbilder.

 

Klaus C. Yoder (Poughkeepsie, USA)

Provokante Riten. Rhetorik als restaurative und destruktive Kraft zur Zeit der Reformation

Zur Erneuerung der gottesdienstlichen Redeweisen nahmen die Reformatoren die rhetorischen Mittel göttlicher Rede in Anspruch, wie sie sie in der Bibel fanden. Zugleich sorgten sie sich um einen Missbrauch der Rhetorik, der die Gesellschaft destabilisieren und die Kirche verseuchen könnte. Gut lässt sich dies anhand der Streitigkeiten zeigen, die sich an der Frage nach einem Kompromiss bezüglich der ›adiaphora‹ während der Interimszeit entzündeten. Die Theologen um Melanchthon versuchten eine Wiedereinführung katholischer Gebete und Lehren in den evangelischen Gottesdienst abzuwehren, waren aber dennoch bereit, traditionelle Elemente wie etwa die Albe wieder zuzulassen. Zugleich vermieden sie einen heftigen Streit mit Magdeburgs ›Herrgotts Kanzlei‹, die einen solchen Kompromiss strikt ablehnte. Dieses historische Geschehen ist also gekennzeichnet durch eine obsessive Vorstellung der Bedrohung göttlicher Institutionen durch menschliche Sprache, entweder im Gewand angeblich götzendienerischer Gebete oder als rhetorische Exzesse der Polemik.

 

Tadeusz Miczka / Bogdan Zeler (Katowice, Poland)

Polnische evangelische Kultur

Die Evangelischen haben einen verdienstvollen Platz in der polnischen Geschichte – sowohl in der Zeit der reformatorischen Bewegung, als auch in den schwierigen Zeiten der Gegenreformation und in der Moderne, die für sie eine Zeit der Diasporaexistenz war und ist. Die Reformation hat außerdem zu einer Reihe von bedeutenden Veränderungen in der polnischen Nationalkultur beigetragen. Die Lutheraner legen bekanntlich großes Gewicht auf das Prinzip der ›sola scriptura‹, das eine der Hauptlehren der Reformation darstellt. Sie schrieben der Heiligen Schrift eine außerordentliche Bedeutung zu, was zum einen in einer protestantischen Übersetzung der Bibel ins Polnische und zum anderen in der Veröffentlichung von zahlreichen Postillen und Gesangbüchern resultierte. Lutherische Lieddichter gingen in die Geschichte der Polnischen Literatur ein. So haben die Evangelischen in hohem Maße zur Entwicklung der Polnischen Sprache beigetragen, die ein Gegenstand besonderer Aufmerksamkeit und Interesses war. Evangelische Verleger spielten ebenfalls eine prominente Rolle für die Polnische Kultur. Die evangelische Bewegung hat sich reichhaltig sowohl in der Polnischen Literatur wie auch in ähnlichem Maße in anderen kulturellen Bereichen – Theater, Musik, Architektur und Film, um nur einige zu nennen – niedergeschlagen.

Dieser Beitrag diskutiert die kulturellen Leistungen solcher polnischer evangelischer Autoren und Künstler, die auf der einen Seite ihre eigene evangelische Identität geformt haben und auf der anderen Seite den Platz der Evangelischen in der polnischen Nationalkultur überhaupt anzeigen.

Kulturelle Wirkungen der Reformation

7. bis 11. August 2017      KulturelleWirkungenderReformation

Kontakt: kongress@leucorea.uni-halle.de

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