Reformation und Musik. Die ›evangelische Kunst‹?
Christiane Wiesenfeldt und Christiane Hausmann
Mittwoch, 9. August 2017, Leucorea, Bibliothekszimmer
14.30–15.15 Uhr Jürgen Heidrich: Zur Frühgeschichte des Liedes Ein feste Burg ist unser Gott im 16. Jahrhundert
15.30–16.15 Uhr Christian Leitmeir: Ein feste Burg ist unser Gott. Strategien und Grenzen der Nostrifizierung im konfessionellen Zeitalter
16.30–17.15 Uhr Dominik Gerd Sieber: »Von dem rechten Christlichen Gebrauch der Music, vnd der Orglen«. Die Rolle der Kirchenmusik im Rahmen der lutherischen Konfessionalisierung in den oberschwäbischen Reichsstädten
Donnerstag, 10. August 2017, Leucorea, Bibliothekszimmer
14.30–15.15 Uhr Thomas Schmidt: »Ein feste Burg ist unser Gott«? Der Choral in der Instrumentalmusik des 19. Jahrhunderts zwischen sakralem Andachtstopos und konfessionellem Statement
15.30–16.15 Uhr Stefan Menzel: Ein feste Burg ist unser Gott. Otto Kade, die ›Inventio‹ des »Luther-Codex« und der deutsche Kulturprotestantismus
16.30–17.15 Uhr Chiara Bertoglio: Interpreting musical ›holy texts‹
17.30–18.15 Uhr Ruth Dewhurst: Luther’s Noble Art of Music. The Evolution of 16th Century Congregational Singing into 21st Century Crowd Harmonics
Ein feste Burg ist unser Gott ist nicht nur ein protestantisches Kirchenlied, sondern gilt als die Hymne des (lutherischen) Protestantismus schlechthin, wiewohl es Verbreitung auch in den Gesangbüchern anderer Konfessionen gefunden hat. Seit dem Zeitalter der Konfessionalisierung verpflichtet das Lied vor allem auf die Zustimmung zur Monumentalisierung Luthers und ›seiner‹ Reformation. Dabei verlässt Ein feste Burg bisweilen auch den liturgischen Kontext, um musikalisch variiert zu werden: als Chorsatz, als Orchesterwerk oder als Zitat.
Diese breite musikgeschichtliche Rezeption ist einerseits von Ritualen wie Reformations- oder Friedensfeiern veranlasst, die im 19. Jahrhundert auf neokonfessionalistische und nationalistische Geschichtskonstruktionen verweisen. Andererseits entfaltete das Lied auch eine breite Rezeption in autonomer, von konfessionalistischen Tendenzen zunächst einmal unabhängiger Kunstmusik. Erst in solchen vielgestaltigen Zusammenhängen erschließt sich die Rezeptionsgeschichte von Ein feste Burg. Zu fragen wäre in diesem Zusammenhang also auch, was vom inhaltlichen Kern der Reformation in den vielfältigen musikalischen Thematisierungen von Ein feste Burg transportiert wird bzw. ob und wie antagonistische musikalische Rezeptionen und Kontrafakturen konstruiert werden.
Die Fokussierung auf Ein feste Burg erlaubt sowohl eine Bündelung der konfessionellen und konfessionsübergreifenden Musiktraditionen als auch eine Kritik des in der ›evangelischen Kunst‹ mitgeführten hegemonialen Anspruchs, der sich in Musikinstitutionen und Musikwissenschaft seit dem 19. Jahrhundert wirkmächtig niederschlägt. In der Sektion soll daher die innermusikalische Geschichte des protestantischen Anspruchs auf eine ›eigentliche‹ Kunst und Fachgeschichte erkennbar werden.
Stand: 12.6.2017